Als im Frühjahr 2000 das Human Genom Projekt abgeschlossen wurde, kannte die Euphorie der Forscher kaum Grenzen. Bald sollte es möglich sein, im Erbgut jedes Menschen zu lesen, wie in einem offenen Buch. Die fieberhafte Suche nach Genen für Genialität oder langes Leben konnte beginnen. Doch mittlerweile ist Ernüchterung angesagt.
Noch vor wenigen Jahren galten Gene als schier allmächtig. Die Molekularbiologie inszenierte sich wie eine neue Religion. Doch die Götterdämmerung im Reich der Gene hat längst begonnen.
Jörg Blech
In der Genforschung wurde mit Visionen und Hoffnungen gearbeitet. Die Zunft war fasziniert von der Entschlüsselung des menschlichen Genoms und natürlich hat man das verknüpft mit Heilsversprechen; man hat gesagt, wir können jetzt wirklich Gen für Gen entdecken und sagen, warum hat der eine `n Herzinfarkt der andere ist dick, der andere `n bisschen schlau – das hat sich in Luft aufgelöst …
Der Biologe und Wissenschaftsjournalist Jörg Blech sagt: Die Gene sind nicht unser Schicksal. So heißt auch sein aktuelles Buch. Darin heißt es: Das Genom ist nicht statisch, sondern dynamisch, also veränderbar. Das werde vielen Forschern immer klarer.
Jörg Blech
Zentral ist der Gedanke dass die Umwelt unsere Gene steuern kann und das ist ein aufblühendes Forschungsgebiet…
Der Sammelbegriff dafür : Epigenetik. Also, das, was über den Genen steht, was auf sie einwirkt. Überall in den Zellen sind beispielsweise Schalter angebracht, die Gene an- oder ausknipsen. Ob und wie das geschieht, wird stark durch die Lebensumstände jedes Menschen beeinflusst. Noch wehren sich viele Vertreter der Zunft gegen diese neuen Einsichten. Eifrig werden angebliche Gene für Glück, Depressionen, Fettleibigkeit, oder Intelligenz präsentiert. Doch dahinter stehe nur ein virtuoses jonglieren mit Daten. Klinisch belastbar sind solche angeblichen Assoziationen nicht, so Blech.
Das Charisma der Genetik fasziniert nicht nur Biologen. Der US-Autor Richard Powers beschreibt in seinem Roman „Das größere Glück“ die Jagd von Biotechnikern nach dem Glücksgen. Powers hat als bisher neunter Mensch sein komplettes Genom entschlüsseln lassen. In seinem soeben erschienen „Buch Ich Nummer 9“ beschreibt er die neu entstandene Bioindustrie. Das Geschäft mit dem menschlichen Genomverspricht Milliardengewinne. Zahlreiche Firmen liefern sich einen Wettlauf um kostengünstige Sequenziermethoden und um potentielle Kunden.
Aus dem Buch
Wenn man es ganz aufs Wesentliche reduziert, geht es beim individuellen Genom um Kontrolle. Es ist der neueste Ausdruck einer uralten Obsession. …Aber bis auf weiteres bleibt das Zukunftsmusik. Der Held befragt das Orakel, damit er dem, was das Orakel ihm prophezeit, aus dem Weg gehen kann. Leider kommt der Held in neun von 10 Fällen einfach nicht dahinter, was das Orakel ihm sagen will.
Spätestens, als die Gendeuter ihm mitteilen, dass er über ein Dutzend Risikogene für Fettleibigkeit besitze, wächst beim schlaksigen Powers, der in seiner Familie auf den Spitznamen „Das Strichmännchen“ hört, die Skepsis.
Jörg Blech plädiert dafür, die Sicht auf die genetischen Landkarten vom Kopf auf die Füße zu stellen.
Jörg Blech
Die Arte und Weise wie wir leben hinterlässt Prägungen im Erbgut und die lassen sich lesen im Grunde wie so ne Art Memoiren unseres Lebens.
Eine neue Ära in der Genforschung hat begonnen: Die Erforschung der äußeren Einflüsse auf das Genom. Übrigens: Auch für Sportreporter heißt es umdenken. Das vielzitierte „Siegergen“ gibt es nämlich auch nicht.
Jörg Blech
Die Tatsache dass überhaupt vom Siegergen gesprochen wird, zeigt dass wir dazu neigen, Fähigkeiten den Genen zuzuschreiben. Ne Mannschaft, die gut spielt will nach außen dokumentieren, wir sind unbesiegbar. Man behaupt dass sei angeboren indem man das Wort vom Siegergen in den Mund nimmt das ist natürlich in Wahrheit grotesk! … weil wenn man mal das Beispiel der deutschen Nationalmannschaft im Fußball nehmen – die zeigen geradezu beispielhaft. wie wichtig es ist um Erfog zu haben, eine richtige Umwelt zu haben und der Trainer Löw ist ja ein Meister darin, seine Mannschaft gut vorzubereiten.
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